Was bringt die neue ICH-GCP E6 R3?
Ein Teil des Teams konnte beim GXP-Seminar zum Thema bereits einen guten Einblick gewinnen, wie sich die Guideline, die eine der wesentlichen Grundlagen unseres täglichen Arbeitens ist, verändern wird und welche Bereiche umformuliert oder ergänzt werden.
Mit der derzeit gültigen Version E6 (R2) arbeiten wir nun seit Juni 2017. Das überarbeitete Dokument, war bis vor kurzem noch in der Phase der „public consultation“. Das heißt, es war möglich mittels eines elektronischen Formblattes Rückmeldungen zur überarbeiteten Version zu geben. Witziger Weise endete diese Frist einen Tag nach dem zweiten Seminartermin, somit hatten die frisch informierten Seminarteilnehmer auch noch die Möglichkeit einen Kommentar abzugeben. Ob diese wohl genutzt wurde?
Warum überhaupt eine Überarbeitung?
Seit dem ersten Entwurf sind mittlerweile fast 3 Jahrzehnte vergangen. In dieser Zeit haben sich klinische Prüfungen sehr verändert. Sie sind wesentlich komplexer geworden, was das Studiendesign, den Einsatz von Technologie, die Menge der gesammelten Daten und die Einbeziehung von zentralen Prüfeinrichtungen oder anderen Dienstleistern betrifft. Version E6 (R2) enthielt bereits Ergänzungen, um die aufkommende Nutzung elektronischer Datenquellen und Risikomanagementprozessen zu berücksichtigen, aber auch seit dieser Version haben sich klinische Prüfung erneut im Bereich Design und technologische Innovation weiterentwickelt. Eine Überarbeitung des bestehenden Regelwerks war nicht nur notwendig, um neue Bereiche zu regulieren, sondern auch um dem Datenaustausch zwischen verschiedenen Akteuren in der klinischen Prüfung einschließlich Patienten, Forschern und medizinischem Personal in seiner bestehenden Formulierung nicht im Weg zu stehen.
Aufbau und Struktur:
Schon beim ersten Blick auf das neue Dokument, wirkt es wesentlich komplexer und anspruchsvoller als seine Vorgängerversion. Früher waren die Kapitel der Guideline simple von 1 bis 8 durchnummeriert, dabei war Kapitel 1 das Glossar.
Der Aufbau der zukünftigen Fassung gliedert sich in:
ANNEX 2: ist derzeit noch in Erarbeitung, aber er soll zusätzliche Überlegungen enthalten, wie die GCP-Grundsätze auf „nicht traditionelle“ Studien angewendet werden können. Diese sollen umfassen:
- dezentralisierte Elemente, bei welchen einige oder alle prüfungsrelevanten Aktivitäten an anderen Orten stattfinden, z.B. in Pflegeheimen, mobilen Prüfeinheiten, lokale Kliniken und die Datenerfassung kann aus der Ferne erfolgen
- Pragmatische Elemente, d. h. Prüfungen, die der klinischen Routinepraxis sehr nahekommen.
- Quellen von Real-World-Daten (RWD) (nicht inkludiert: observational studies) zum Beispiel die Verwendung von Registern, elektronischen Gesundheitsakten (EHR), Krankenhausdaten, Daten aus Apotheken und Krankenakten oder Wearables (Vitalparametererfassungen).
Annex 2 wird in 12 bis 18 Monaten erwartet.
Überraschend an dem neuen Dokument ist, dass die Seitenzahl fast gleichgeblieben ist, obwohl es viele Erweiterungen und ausführlichere Definitionen gibt.
Eventuelle Nachteile der neuen Struktur könnten sein:
– anders als in der aktuell noch gültigen Version kann es Nummerierungen zweimal geben, was eine genaue Angabe beim Zitieren erfordert. (Beispiel. 3.1 als Unterkapitel des 3. Prinzips oder als Unterkapitle in Annex 1 Bereich Sponsor.
– man findet gewisse Themen an unterschiedlichen Stellen z.B. Delegation, Responsibility II. 1.5, 5.1, 10 2 und 10.3 unter dem Kapitel Investigator in den Punkten 2.3ff sowie beim Sponsor zum Beispiel unter Punkt 3.6.4.
Einerseits bedeutet das, dass man beim Zitieren genauer sein muss, und andererseits sicher auch, dass man sich, sucht man eine Antwort auf eine gewisse Frage, intensiver mit dem Dokument auseinandersetzen muss. Das könnte auch eine Herausforderung für den einen oder anderen in Studienteams am Zentrum sein (in erster Linie denke ich da an knappe zeitliche Ressourcen). Gute Schulung seitens des Monitors ist dann sicher gefragt.
Einige inhaltliche Änderungen:
Die „Principles“ wurden in jedem Bereich ergänzt. Dabei sind das nicht unbedingt neue Informationen, allerdings ist durch die Eingliederung im Kapitel „Principles“ klargestellt, dass die Erklärungen für alle Arten klinischen Studien anzuwenden sind. Als Beispiel kann hier Prinzip 2 genommen werden: Informed Consent. Dieses Prinzip wurden um 3 Unterpunkte erweitert: II 2.1: Freely given consent ist nicht nur einzuholen, sondern auch zu dokumentieren. II 2.2: Die gegebenen Informationen müssen klar, konsistent und für den/die potentielle:n Teilnehmer:in gut verständlich sein. Man muss den Nutzen versus die Risiken einer Teilnahme abwiegen können. II. 2.3: Klarstellung wesentlicher Inhalte der Patienteninformation, wie zum Beispiel Setting und Kontext, verwendete Technologien, Ein- und Ausschlusskriterien.
Principle 10 gab es in R2 gar nicht. Es lautet: „Roles and responsibilities in clinical trials should be clear and documented appropriately.“ In den Unterpunkten wird noch festgestellt, dass der Sponsor Aufgaben delegieren kann, die Verträge die Rollen aber klar definieren und dokumentieren müssen, und dass die Verantwortung für Aufgaben, die an Serviceprovider delegiert wurden, dennoch beim Sponsor bleibt. Sowohl Sponsor, aber auch ein Investigator, der delegiert, muss die „oversight“ or „supervision“ behalten.
Zum Abschluss vielleicht noch spannend, ist das Kapitel „Monitoring“. Dieses wurde einer umfassenden Überarbeitung und Umstrukturierung unterzogen. Sie finden sich im Kapitel 3 des Annex 1, also bei „Sponsor“ bei 3.11. Quality Assurance und Quality Control ab Unterpunkt 4ff
Zweck, Umfang sowie Art der Überwachung wurden durch eine Einleitung ersetzt, ein neuer Abschnitt über „Investigator Site Monitoring“ wurde ergänzt. Ein gänzlich neuer Abschnitt zu „Centralized Monitoring“ wurde hinzugefügt, während der Abschnitt zur Auswahl und Qualifikation der Monitore gestrichen wurde. Auch der Hinweis, dass „Central Monitoring“ nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden kann, wurde gestrichen. Stattdessen wird sie nun als wichtiger Bestandteil der Überwachungstätigkeiten beschrieben, die Teil eines risikobasierten Ansatzes sind. Eine Überwachung vor Ort wird nicht mehr gefordert. Die Beschreibung der Überwachung des Prüfzentrums beinhaltet eine Änderung der Aktivitäten und der Häufigkeit in Abhängigkeit vom Erkenntnisgewinn und erlaubt Fernaktivitäten, einschließlich des Fernzugriffs auf die Ausgangsdaten und andere elektronische Systeme. Der derzeitige Abschnitt über die Verantwortlichkeiten des Monitors wurde gestrichen, und stattdessen heißt es jetzt Aktivitäten, da diese nicht auf die Rolle des Monitors beschränkt sind, sondern z. B. auch Mitarbeiter, die an zentralen Überwachungsaktivitäten beteiligt sind, einbezogen werden. Es wurden neue Abschnitte zu den Aktivitäten hinzugefügt. Welche Änderungen in der Rolle des Monitors werden sich dadurch wohl ergeben?
(c) Astrid Renner, Mag. Andreas Raffeiner GmbH